Kärntner Immobilienmarkt
Kärnten auf „SCHIENE“
Die Fertigstellung der Koralmbahn nähert sich eilenden Schritts, damit rückt Kärnten unter anderem noch näher an Graz. Diese Impulse werden laut Einschätzung unserer GesprächspartnerInnen und BranchenexpertInnen einen markanten Aufwind für das südliche Bundesland bringen. Freilich schönt dieser Umstand die aktuelle Situation nur bedingt, denn die Marktverwerfungen rund um Inflation, Zinsen und die strenge Auslegung der KIM-Verordnung haben auch in Kärnten ihre Spuren hinterlassen. Dennoch wird Wohnraum dringend benötigt.
Auf Kärntner Seite ist die Koralmbahn schon fast fertig. Erst vor wenigen Wochen ist nahe der Jauntalbrücke der Goldene Nagel gesetzt worden, ein Symbol für den Abschluss der Gleisbauarbeiten. Schon im Dezember können so die Züge zwischen St. Paul im Lavanttal und Klagenfurt verkehren. Bis die Gesamtstrecke fertiggestellt werden kann, dauert es aber noch ein wenig. Ende 2025 wird die Fernverkehrstrecke freigegeben. Mit der Koralmbahn rückt auch die Kärntner Wirtschaft verstärkt in den europäischen Fokus, ist sie doch Teil der neuen Südstrecke, die den Baltisch-Adriatischen Korridor in Europa zusätzlich verstärkt. Durch das Projekt wird die perfekte Anbindung zwischen Osteuropa über Ungarn und Adria mit den Häfen Triest und Koper gewährleistet. Brauchte man zuvor mit dem Zug bis zu drei Stunden in die steirische Landeshauptstadt Graz, sind es nach Fertigstellung nur mehr 45 Minuten.
Für die Kärntner Wirtschaft ist die Koralmbahn jedenfalls eine große Chance, vor allem für jene High-Tech-Betriebe, die sich im südlichen Bundesland bereits etabliert haben und weit über die Grenzen hinaus bekannt sind. Bereits seit geraumer Zeit hat etwa der Tech-Konzern Infineon das Werk in Villach ausgebaut, erst Ende Dezember 2021 ist eine neue Chip-Fabrik in Betrieb genommen worden, bis 2025 soll der Vollausbau des Chipwerks folgen. Das bringt auch jede Menge Arbeitsplätze, denn in Villach arbeiten bei Infineon aktuell knapp 2.400 Menschen.
Die Koralmbahn zeigt rund zwei Jahre vor der voraussichtlichen Fertigstellung jedenfalls bereits jetzt erste Ergebnisse am Kärntner Immobilienmarkt. Einerseits in Villach, wo die ÖBB Immobilien auf einem rund 25.000 Quadratmeter großen brachliegenden Grundstück ein urbanes Stadtquartier entwickelt, in dem neben Wohnraum auch Flächen für Gewerbe bereitgestellt werden sollen. Rund 33.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche soll das neue Quartier umfassen. Erst kürzlich ist mit dem „Max Palais“ in Villach ein größeres Wohnprojekt in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof entstanden, rund 60 Millionen Euro hatte der Entwickler Gerhard Mosser in das Bauvorhaben auf einem ehemaligen Gewerbegebiet investiert. Laut Angaben des Bauherren seien bereits 87 Wohnungen verkauft worden, und der Großteil der 11.000 Quadratmeter Gewerbeflächen seien über langfristige Mietverträge schon verwertet.
In Klagenfurt etwa ist im Stadtteil Viktring durch die niederösterreichische Handler Gruppe das Wohnprojekt „Vitrino“ mit 78 modernen Wohnungen zwischen 40 und 110 Quadratmetern Fläche im Entstehen, wobei Rustler als Partner in der Vermarktung fungiert. Darüber hinaus soll ein weiterer Bauteil mit Mietwohnungen realisiert werden. Kärnten habe viel Potenzial, sagt CEO und Eigentümer der Handler Gruppe, Markus Handler: „Vorhaben wie der Ausbau der Südbahnstrecke lassen auf eine weitere positive Entwicklung des Gebiets in den nächsten Jahren schließen. Durch die zukünftigen Pendelmöglichkeiten gewinnen grüne Stadtrandlagen an Attraktivität und lassen auf weiteren Zuzug schließen. Das schlägt sich in einem steigenden Interesse für eigengenutzte Wohnungen und Anleger nieder. Mit ‚Vitrino‘ haben wir hochwertigen und nachhaltigen Lebensraum entwickelt. Die naturnahe Umgebung, in Kombination mit der unmittelbaren Nähe zur Klagenfurter Innenstadt, bietet vielerlei Möglichkeiten und Flexibilität. Für den Klagenfurter Markt spricht auch das, im Vergleich zu ähnlich großen Städten, vergleichsweise hohe Mietniveau. Der geringe Anteil an neu geplanten Mietprojekten macht die Lage für Anleger zusätzlich interessant.“
Generell wächst die Bevölkerung in Kärnten stetig. Mittlerweile leben knapp 570.000 Menschen im Bundesland, die Tendenz ist, nach den Jahren der Abwanderung, zumindest leicht steigend. Klagenfurt hat mittlerweile die 100.000 Einwohner-Marke geknackt und ist damit eine Großstadt. Doch während mit der Koralmbahn neue Impulse nach Kärnten kommen, sieht es um den Flughafen Klagenfurt schwieriger aus. Vor fünf Jahren hatte die Lilihill Group um Investor Franz Peter Orasch die Mehrheitsanteile übernommen, der angekündigt hatte, den Flughafen nicht nur auszubauen, sondern auch die Passagierzahlen auf rund eine Million pro Jahr hochzuschrauben – sogar mit einer eigenen Airline. Passiert ist in diese Richtung wenig, weswegen jüngst das Land Kärnten und die Stadt Klagenfurt aktiv wurden und den Flughafen wieder „verstaatlichten“. Lilihill hatte zuvor in Klagenfurt durchaus repräsentative Projekte an den Großindustriellen Erhard Schaschl verkauft, darunter das Brain@Work am Areal der ehemaligen Kärntner Tageszeitung, das geschichtsträchtige Moser Verdino oder das Gebäude am Heuplatz 4. Lediglich das Salzamt ist im Portfolio der Lilihill verblieben, laut Unternehmenssprecher Alexander Khaelss-Khaelssberg sei bereits ein Vertrag mit der Hotelkette Hilton abgeschlossen worden.
Wohnraum wird dringend benötigt
Während Kärnten Zuzug erfährt, auch durch Fachkräfte, die im südlichen Bundesland ein perfektes Umfeld im High-Tech-Bereich vorfinden, ist Wohnraum zunehmend knapp. Doch die aktuelle Marktsituation, geprägt durch Inflation und dem daraus resultierenden Zinsumfeld, hat auch Kärnten nicht unberührt gelassen. Im Gegenteil, das jetzige Marktumfeld droht die Impulse durch die Koralmbahn zu bremsen. Denn derzeit „stehe“ der Markt und zwar in allen Segmenten, ist von den meisten Vertreter-Innen der Branche zu hören. Laut Paul Perkonig, Kärntner Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder, war besonders die Zinserhöhung seit Sommer des Vorjahres ein wesentlicher Hemmschuh: „Wir bemerken einen spürbaren Rückgang der Nachfrage, einerseits wegen der erheblich gestiegenen Zinsen, der KIM-Verordnung und überhaupt aufgrund der gestiegenen Lebenserhaltungskosten.
Der Erwerb von Eigentum ist in diesem Umfeld nahezu nicht möglich, weswegen der Druck auf den Mietsektor stark steigt.“ Damit hat sich auch die Bautätigkeit erheblich abgeschwächt, und zwar so stark, wie lange nicht mehr. Das kommt in Zeiten, in welchen Kärnten aufgrund der Koralmbahn eigentlich wachsen sollte, denkbar ungelegen.
Nachfrage abgekühlt
Stefan Kerschbaumer, Standortleiter von Rustler in Kärnten bestätigt, dass die Nachfrage nach Eigentums- oder Anlagewohnungen deutlich zurückgegangen sind, während sich der Markt stark in Richtung Miete verlagert: „Vor allem größere Wohnungen sind nachgefragt, insbesondere mit drei Zimmern. Doch gerade hier ist das Angebot überschaubar. Die Folge: Die Mieten steigen merkbar an.“ Das einzige, was derzeit in Kärnten boomt, ist das Luxussegment. Vor allem Liegenschaften am Wörthersee sind stark nachgefragt, sagt Kerschbaumer, der etwa auf den Schlosspark Sekirn am Wörthersee der Kollitsch Gruppe verweist, wo vergleichsweise „astronomische“ Quadratmeterpreise ausgerufen werden – schließlich sei es eines der wenigen Projekte, das direkt am Wörthersee mit Seezugang entwickelt worden ist.
Nicht minder herausfordernd ist die Situation für das Makler-Team von Rustler in Kärnten. Besonders stark zu spüren ist die Situation im Neubau-Bereich. Andrea Lindner, Real Estate Consultant bei Rustler sagt, dass sie in den letzten 20 Jahren ihrer Tätigkeit für Bauträger-Projekte eine vergleichbare Situation bis dato noch nicht erlebt hat: „Die Nachfrage nach Erstbezugs-Neubauwohnungen ist merklich abgekühlt, denn jene, die es sich leisten könnten, wollen im Angesicht hoher Preise auch so viele Annehmlichkeiten wie möglich – und jene, die sich die Wohnungen aufgrund der KIM-Verordnung nicht mehr leisten können, fragen erst gar nicht nach.“ Entsprechend ist auch die Vermarktung für Neubauwohnungen erheblich schwieriger geworden, und Investoren fordern Renditen ein, die derzeit nicht realisiert werden können. Stabiler zeige sich die Situation bei Gebrauchtobjekten, wie Thomas Mikula, Real Estate Consultant bei Rustler, berichtet: „Ein Überangebot an gebrauchten Wohnungen gibt es derzeit nicht, allerdings gibt es zunehmend mehr Menschen, die im Zuge der rasch gestiegenen Zinsen die Kreditraten nicht mehr bedienen können.“ Auch die KäuferInnen von gebrauchten Objekten seien anders strukturiert als im reinen Neubaubereich, so Thomas Mikula. Oftmals werden derartige Objekte weniger stark fremdfinanziert, oder im Gegenzug andere Immobilien verwertet.
Druck und Chancen auf dem Mietermarkt
Stattdessen steigt der Druck auf den Mietsektor enorm, laut Alessa Huber von Rustler stehe einer hohen Nachfrage nach Mietwohnungen einem deutlich zu geringen Angebot gegenüber. Auch wären für Alessa Huber Modelle eines Mietkaufs interessant respektive eine mögliche Antwort auf die Problematik. Alle ExpertInnen sind sich einig, dass wesentlich mehr Mietwohnungen benötigt werden und zudem auch gut verwertbar wären, jedoch zeigen sich viele nationale und internationale Investoren nach wie vor zu reserviert und zögerlich gegenüber dem Kärntner Immobilienmarkt.
Banken zurückhaltend
Die KIM-Verordnung in Österreich bringt neben den überall stark gestiegenen Zinsen das Problem mit sich, dass die Nachfrage nach Immobilienfinanzierungen generell deutlich abkühlt. Manuel Tauchner von der Realfinanz sagt, dass die Nachfrage im Banksegment um zumindest 60 Prozent zurückgegangen ist. Als Finanzierungsvermittler habe man demgegenüber jedoch deutlich geringere Rückgänge zu verzeichnen. Tauchner: „Finanzierungen sind nach wie vor möglich, einige Banken verfügen über Sonderkontingente für Kredite. Nur weil man bei der Hausbank womöglich keine Finanzierung bekommt, heißt das nicht, dass andere nicht finanzieren würden.“ Vor allem deutsche Banken würden längere Laufzeiten gewähren, weswegen der Druck auf die Schuldendienstquote abgemildert werden kann. Denn: „Der grundsätzliche Bedarf an Finanzierungen ist nach wie vor gegeben.“ Die FinanzierungsexpertInnen von Novius Finance berichten ergänzend, dass deutsche Banken zudem auch die gesamte Bonitätssituation der KundInnen stärker berücksichtigen als in Österreich. So könne ein hohes Einkommen den notwendigen Eigenmittelanteil relativieren, auch gibt es keine starren Grenzen des Verschuldungsgrades wie in Österreich im Rahmen der KIM-Verordnung.