Die Großstadt in der Großstadt

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Februar 2022

Die Großstadt in der Großstadt

Wien Donaustadt gehört zu den am stärksten wachsenden Bezirken – österreichweit. Der hohe Zuzug wird durch mehrere Stadtentwicklungsgebiete absorbiert. Während in Kagran ein neues Viertel entsteht, wächst auch die Seestadt immer weiter.

Es gibt keinen Bezirk in Österreich, der in absoluten Zahlen ein derartig starkes Wachstum hingelegt hat und dies auch weiterhin tut, als die Donaustadt. Innerhalb von nur 15 Jahren ist der 22. Wiener Gemeindebezirk um mehr als 50.000 Einwohner gewachsen. Oder anders ausgedrückt: Zwischen 2010 und 2020 ist die Einwohnerzahl um weit mehr als ein Viertel gewachsen. Kein Wunder, denn in diesem Flächenbezirk jenseits der Donau, der Lebensader Wiens, gibt es noch das, was es etwa innerhalb des Gürtels nicht gibt, nämlich bebaubare Grundstücke. Vor allem junge Familien zog es in den Bezirk – was auch am verhältnismäßig attraktiveren Preisniveau und größeren Wohnungsschnitten als in der WienerInnenstadt zu begründen ist.

Die Seestadt Aspern entstand auf einem Areal mit geschichtlicher Vergangenheit.

Allerdings: Seit in den vergangenen Jahren der Bauboom in der Donaustadt stark angelaufen ist, steigen auch die Preise merklich.

Geschätzt wird zum einen die äußerst günstige Verkehrsanbindung, durch die Verlängerung der U-Bahnlinien U1 und U2 ist die Donaustadt noch näher in das Wiener Stadtzentrum gerückt. Von Leopoldau oder von der Seestadt aus benötigt man gerade einmal 15 Minuten Fahrzeit. Als weiterer Bonus kommt hinzu, dass die Seestadt ein sehr grüner Bezirk ist, was von Familien positiv aufgenommen wird. Schließlich ist auch der Speckgürtel Wien vielerorts teuer – und damit der 22. Bezirk eine interessante Alternative, will man Wohnen, Freizeit, Anbindung und Naturnähe miteinander verbinden.

Reserven übrig

Der Bezirk ist überdies auch der jüngste und der flächenmäßig größte der Bundeshauptstadt, womit auch jede Menge Grundstücksreserven verfügbar sind. Dies schlägt sich in der Bevölkerungsdichte nieder, die mit rund 1.900 Einwohnern pro Quadratkilometer weitaus niedriger ist als etwa in der Innenstadt, wo über 4.600 Menschen pro Quadratkilometer leben.

Denn trotz seines verhältnismäßig hohen Anteils an Grünflächen ist die Donaustadt dennoch erstaunlich urban, gewissermaßen eine Großstadt in der Großstadt. So befindet sich hier mit dem DC Tower an der Donauplatte der höchste Büroturm der Stadt. Spannend, wenn man bedenkt, dass der Charakter der Donaustadt vor noch 30 Jahren eher dörflich geprägt war. Und doch: Der Bezirk erstaunt durch seine Vielfältigkeit und extreme Gegensätzlichkeit. Bodenständige Landwirtschaft, hochspezialisierte Industrie, die beiden höchsten Bauwerke der Stadt und zahlreiche Naturschutzgebiete. Zudem finden sich im Bezirk neuartige Wohnhausanlagen und traumhafte Kleingartensiedlungen, das größte Einkaufszentrum Wiens und dörfliche Nahversorgungsstrukturen – all das und noch viel mehr fügt sich zu einem attraktiven Ganzen zusammen. „Ein geradezu typisches Beispiel für den beschriebenen Mix ist die Alte Donau, einerseits durch die UNO City international, doch nur ein paar Schritte weiter, Richtung Kaiserwasser, ist auch der Lokalkolorit gut abgebildet, der über die Ernst Hinterberger-Serie ‚Kaisermühlen Blues‘ eine sehr persönliche Hommage erfahren hat“, beschreibt Rustler-Teamleiter Dino Mujic sein Tätigkeitsumfeld.

Bezirksteile mit Potenzial

In der aktuellen Rustler-Standortanalyse stehen diesmal die Bezirksteile Kagran, Neukagran, Hirschtetten und Stadlau sowie Aspern im Fokus. Und obwohl es sich etwa bei der Seestadt Aspern um einen völlig neuen Stadtteil handelt, der konituierlich immer wieder erweitert wird, ist das Areal ein geschichtlich spannender Ort. Etwa durch die Schlacht bei Aspern im Jahre 1809, die im Zuge der Napoleonischen Kriege auf dem Bezirksgebiet stattfand. Oder der Flughafen Aspern, der als Vorgänger des Flughafen Wien-Schwechat galt. Davon ist heute freilich nichts mehr zu bemerken.

Die Donaustadt hat zudem noch andere Details, die den Bezirk wienweit ziemlich einzigartig macht. Etwa der Eigentumswohnungsmarkt, der sich erst in
den vergangenen Jahren Stück für Stück entwickelt hat. Zuvor beschränkte sich das Eigentum vorwiegend auf Einfamilienhäuser, der Mietwohnungsmarkt auf Genossenschaften und Gemeindewohnungen.
Auch das Angebot an frei finanzierten Mietwohnungen begann sich erst vor wenigen Jahren erheblich weiterzuentwickeln, vor allem begünstigt und befeuert durch den Ausbau der U2.

Bis 2028 sollen in der Seestadt über 20.000 Menschen wohnen und arbeiten.

Stadlau wächst

Auf dem Weg zur Seestadt kommt man an Stadlau vorbei, ein ebenfalls stark wachsender Bezirksteil. „Sowohl der Eigentumswohnungsmarkt wie auch der Mietwohnungsmarkt sind in Stadlau beeindruckend“, berichtet Reinhard Gemel, Makler am neuen Rustler-Standort über der Donau. Hier seien in den vergangenen Jahren besonders viele Neubauten errichtet worden. In Hirschstetten hingegen gibt es, so Gemel, viel Potenzial und noch keine dichte Bebauung. Stattdessen finden sich hier vor allem Einfamilienhäuser und alte Wohnbauten. Charaktertisch für die Donaustadt ist auch das Verhältnis zwischen Altbau und Neubau, welches unterdurchschnittlich wenige Altbauten aufweist.

Die Haring Group zählt zu den aktivsten Bauträgern im Bezirk.

Eigentum wächst

Frei finanzierte Eigentumswohnungen werden in den letzten Jahren forciert. Ein Beispiel zeigt sich direkt beim Siegesplatz in Aspern. In der Benjowskigasse errichtet Glorit ein Projekt mit 16 frei finanzierten Eigentumswohnungen auf Eigengrund. Ebenso errichtet Glorit in der Heustadelgasse ein weiteres Projekt mit 28 frei finanzierten Eigentumswohnungen, sowie in der Leutholdgasse mit 11 Wohnungen. Auch Haring hat in unmittelbarer Nähe zum Siegesplatz ein Projekt in der Zachgasse, mit Eigentums- und Vorsorgewohnungen sowie Reihenhäusern, in Umsetzung. Bei den Bauprojekten ist zu beobachten, dass der überwiegende Teil an neu errichteten Wohnungen 2-Zimmer-Wohnungen umfasst. „Der Bedarf an 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen wurde jedoch auch von den Bauträgern entdeckt“, schildert Dolores Markovic. Das Angebot wird jedoch auch aufgrund der steigenden Kosten überschaubar, da sich immer weniger Familien großzügige Wohnungen leisten können.

Dolores Markovic, Rustler Team Leopoldau

Möglichkeiten für weitere Projekte sieht das Rustler-Team vor allem im Stadtteil von Stadlau. Zwar ist um den Siegesplatz derzeit noch gewisses Potenzial für Abbruch und Neubau vorhanden, jedoch ist dieses in den Einfamilienhaussiedlungen, aufgrund der vorhandenen Bauklassen, stark eingeschränkt und eignet sich daher meist nur für sehr kleine Bauvorhaben, so Reinhard Gemel. Bei großflächigen Umwidmungen spiele die Stadt Wien eine entscheidende Rolle, welche vor allem den geförderten Wohnbau in Form von möglichst großen Wohnbauten unterstützt, was die Situation für kleinere und mittlere Bauträger nicht leichter macht.

Aufgrund des hohen Angebots an Neubauprojekten sind die Einstiegspreise und Mieten im Verhältnis günstiger als in den Innenstadtbezirken, andererseits sind durch das Platzangebot auch wesentlich mehr Freiflächen möglich. Gemel: „Die Preise für freifinanzierte Eigentumswohnungen in Hirschstetten halten sich die letzten 3 Jahre relativ stabil bei durchschnittlich 4.400 Euro pro Quadratmeter. Im Bezirksteil Stadlau sind die Preise deutlich stärker gestiegen und ergaben einen Mittelwert von etwa 4.800 Euro pro Quadratmeter.“

Das spektakuläre Projekt Vienna TwentyTwo beim Donauzentrum.

Nicht alle begeistert

Nicht alle sind mit dem Bauboom allerdings glücklich. In etlichen Gesprächen mit Anrainern, welche teilweise ihr ganzes Leben im „ihrem Grätzel“ verbracht haben, hört man durchaus auch Kritik an der aktuellen Entwicklung heraus. Diese bezieht sich nicht nur auf die stark ansteigenden Preise für Wohnraum und Grundstücke, sondern auch auf die Veränderungen, welche den ursprünglichen Dorfcharakter der Umgebung, und damit auch dieses Lebensgefühl zunehmend verschwinden lassen. Die Neugestaltung wirke zudem mitunter unkoordiniert, wodurch die derzeitige Entwicklung nicht besonders nachhaltig erscheine und der „Charme“ verloren gehe. Es wirkt so, als ob die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte betreffend Wohnraumschaffung nun schlagartig aufgeholt werden sollen, indem möglichst hohe und große Bauvorhaben umgesetzt werden. Auch optisch passen viele Neubauten gar nicht gut in das vorhandene Ortsbild, und die Hauptverkehrsstraßen sind bereits überlastet. Studenten hingegen loben die Gegend rund um Stadlau deutlich. „Vor allem der Aspekt, dass man sich so zügig mit der U2 in die Stadt oder Universität bewegen kann, ist für mich bedeutsam. Zudem verbinden den Bezirk viele wichtige geschichtliche Ereignisse, die ihn interessant machen“ erzählte ein Student.

„In Gesprächen mit Bewohnern im Grätzel konnten wir heraushören, dass sie sich extrem wohlfühlen.“

Neues Bezirkszentrum

In den Bezirksteilen Kagran und Neukagran ist derzeit ein neuer Bauboom zu beobachten, rund um das bestens öffentlich angeschlossene Donauzentrum entsteht das neue Bauprojekt „Vienna Twenty Two“, ein Gemeinschaftsprojekt von Signa und ARE. Das Herzstück des aus sechs Bauteilen bestehenden Projekts ist ein gemischt genutzter Turm mit einer Höhe von knapp 155 Metern. Es entsteht ebenso ein Wohnhochhaus mit 110 Meter Höhe und rund 600 Wohnungen. Hier entsteht ein neues „Wahrzeichen“ für den Bezirk, welches bis 2025 fertiggestellt sein sollte. Es sind aber auch noch andere Player aktiv, weiß Gemel: „Neben der ARE zählt Haring zu einem der engagiertesten Bauträger in diesem Grätzel. Potenzial für neue Bauprojekte sind um den Kagranerplatz und in der nördlichen Peripherie gegeben.“ Kagran und Neukagran sind durch das Donauzentrum und die zahlreichen Bürokomplexe das wirtschaftliche Herzstück der Donaustadt. Gemel: „In Gesprächen mit Bewohnern im Grätzel konnten wir heraushören, dass sie sich extrem wohlfühlen und es sich nicht vorstellen können, auf der anderen, in ihren Augen ‚falschen‘ Seite der Donau zu wohnen, wie einer der Befragten zu sagen pflegte: Einmal Transdanubien, immer Transdanubien.“

Seestadt baut aus

Das Aspern von geschichtlicher Bedeutung ist, erkennt man an mehreren Plätzen und Denkmälern, darunter auch das einzige Monumentaldenkmal im Bezirk in Form des steinernen Löwen von Aspern, welcher an die Auseinandersetzungen im Mai 1809 erinnert, als Napoleon mit seinen Truppen von den Österreichern unter Erzherzog Karl zum Rückzug gezwungen wurde. Bereits seit 1858 erinnert der steinerne „Löwe von Aspern“ am Siegesplatz direkt bei der Pfarre an jene Zeit.

Mit dem Namen Aspern verknüpfte man zudem ab 1912 ein weiteres Großereignis, da hier am Stadtrand Wiens ein neues Flugfeld eröffnet wurde, welches als Zentrum der heimischen Militär- und Zivilluftfahrt dienen sollte. 1922 ist vom Flughafen Wien-Aspern aus die erste kommerzielle Flugverbindung mit Konstantinopel aufgenommen worden. Der Flugplatz wurde jedoch im zweiten Weltkrieg schwer in Mitleidenschaft gezogen, und seine einstige Bedeutung als Luftfahrtzentrum gewann Aspern nie mehr zurück, woraufhin 1977 das Areal „geräumt“ wurde. Doch es blieb nicht lange leer: Fünf Jahre später, im Jahre 1982, wurde es als Industriestandort vom Weltkonzern General Motors wiederentdeckt und großzügig ausgebaut. Auch die heutige Seestadt Aspern befindet sich Großteils auf dem Areal des ehemaligen Flughafens. Seit rund zehn Jahren entsteht dort eines der größten Stadtentwicklungsprojekte Europas. So sollen bis 2028 in diesem neuen Stadtteil über 20.000 Menschen wohnen und arbeiten.

Im Zentrum des vorliegenden Beitrags stehen die Bezirksteile Kagran, Neukagran, Stadlau, Hirschstetten und Aspern.