Der oberösterreichische Immobilienmarkt

VON DER STAHLSTADT ZUR STRAHLSTADT

Der oberösterreichische Immobilienmarkt ist im Aufwind. Vor allem Linz hat sein Image als düstere Industriestadt abgelegt und sich zu einer pulsierenden Metropole gewandelt. Auch ist in der oberösterreichischen Landeshauptstadt zu bemerken: Die Menschen zieht es in die Peripherie.

Das Bild von Linz hat sich in den vergangenen Jahren stark gewandelt. Aus der einstigen Stahlstadt, die düster und grau und für viele wenig attraktiv gewirkt hat, ist zunehmend eine blühende Metropole mit reichhaltigem kulturellem und wirtschaftlichem Angebot geworden. Sicher zählt die VOEST nach wie vor zu einem der größten Wirtschaftsbetriebe in Oberösterreich, dennoch ist
erkennbar, dass sich Linz zunehmend zu einer Dienstleistungsstadt entwickelt hat. Vom rauen Industrieimage ist nur mehr wenig zu bemerken. Aber es haben sich in den vergangenen Jahren auch Entwicklungen gezeigt, die nunmehr vor allem für ein Aufblühen der Gebiete außerhalb von Linz sorgen dürften. Ein Trend, wie er in vielen Städten Europa zu beobachten ist.

Mit knapp 1,5 Millionen Menschen lebt ein gutes Sechstel der heimischen Bevölkerung in Oberösterreich, Tendenz steigend. Nur in Linz scheint sich dieser Trend etwas zu verlangsamen respektive sogar umzukehren. Erstmals seit acht Jahren, erklärte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger voriges Jahr, habe es einen Geburtenrückgang gegeben. Insgesamt ist die Bevölkerung in Linz leicht geschrumpft, mit April dieses Jahres zählte die oberösterreichische Landeshauptstadt 207.700 Hauptwohnsitze, 250 weniger als noch 2020. In diesem Kontext weist auch die sogenannte Wanderungsbilanz heuer erstmals einen Verlust auf, demgemäß wurden mehr Weg- als Zuzüge beobachtet.

Veränderungen beim Wohnbedürfnis

Welche Effekte haben zu diesem rückläufigen Ergebnis für die Landeshauptstadt geführt? Die Coronakrise jedenfalls kann als einer der Gründe angesehen werden. Doch wo sind dann die Linzer, wenn nicht in Linz? Einer, der darüber Aufschluss geben kann, ist Thomas Kastner, Head of Branch beim Rustler-Standort Oberösterreich. Viele Linzer hat es nämlich in den vergangenen zwei Jahren in die Peripherie gezogen, eine ähnliche Entwicklung, wie in Wien oder Graz. Definitiv hat sich der Wunsch nach Freiflächen verstärkt – und die sind im Linzer Umland leichter und besser zu bekommen als in der Stadt selbst. „In Linz war die Flucht aufs Land gut zu beobachten, vor allem junge Menschen ziehen in die Peripherie, oder in Außen- und Randbezirke von Linz“, so
Kastner, der mit seinem 17-köpfigen Team den Rustler-Standort in Oberösterreich betreut. „Vor allem Lichtenberg im Norden, aber auch Leonding und Pasching profitieren stark von diesem Trend“, so der Experte.

Doch auch für Wohnungen in innerstädtischen Lagen stellen sich neue Herausforderungen. Vor allem im Bereich der Mietwohnungen müssen Objekte ohne Balkon oder Terrasse mittlerweile mit Leerständen kämpfen. Eine Entwicklung, welche auch Manfred Pammer, Vorstand beiAthos Immobilien AG, beobachtet: „Nicht vorhandene Außenbereiche wie Balkone, Loggien oder Terrassen sind gerade durch Corona und die verhängten Lockdowns für viele Personen ein Grund gewesen, sich auf Wohnungssuche zu begeben. Auch in Zukunft werden Freiflächen ein wichtiges Kriterium bei der Wohnungssuche sein.“ Athos selbst hat erst vor wenigen Wochen ein neues Wohnprojekt in der Linzer Peripherie fertiggestellt. Es heißt Grünblick Urfahr, befindet sich im Stadtteil Auhof im Norden unweit der Johannes Kepler Universität und besteht aus vier Bauteilen, mit Wohn- und Büroflächen. Nahtlos fügt sich das Projekt in die Landschaft ein, auf einem rund 7.500 m2 großen Gesamtareal entfallen über 3.000 m2 auf Grünfläche.

Steigende Preise
Dass Linz selbst aber nach wie vor attraktiv ist und wohl auch bleibt, lässt sich gut an der Preislandschaft ablesen. Die Immobilienpreise steigen in der Landeshauptstadt nämlich weiter, vor allem in zwei Bereichen, so Mario Zoidl, Fachgruppenobmann der Immobilien- und Vermögenstreuhänder und als Geschäftsführer bei VKB Immobilien aktiv. Die Steigerungen, welche hier sofort ins Auge fallen, so Zoidl, betreffen Baugrundstücke und Einfamilienhäuser: „Wir haben durchschnittliche Zuwächse über das gesamte Bundesland von fast 12 Prozent bei Baugrundstücken, beziehungsweise über 9 Prozent bei den Häusern.“ Vor einigen Jahren noch, sagt er, wäre ein Anstieg jenseits der Fünf-Prozent-Marke überraschend gewesen. Seit der Pandemie allerdings habe sich diese Dynamik noch einmal verschärft. Am stärksten gestiegen sind die Baugrundstücke im Stadtgebiet von Linz und Wels Land, wo für das Jahr 2021 jeweils ein Plus von über 19 Prozent gegenüber 2020 gemessen worden ist.

„Auch in Linz war die Flucht aufs Land gut zu beobachten,
vor allem junge Menschen ziehen in die Peripherie.“

Ing. Thomas Kastner, Head of Branch Rustler Oberösterreich

Auch die Transaktionszahlen lassen – trotz der oben erwähnten Bevölkerungsentwickung – keinesfalls auf eine verminderte Beliebtheit von Linz schließen. Eher im Gegenteil: Für das Vorjahr wies die Onlineplattform willhaben.at gemeinsam mit IMMOunited Linz sogar als Österreichs viertstärksten Markt, von der Anzahl der Transaktionen her, aus. Fast 1.400 Verkaufstransaktionen sind demnach im vorigen Jahr im Bezirk Linz-Stadt verzeichnet worden. Aus der Analyse lässt sich noch mehr schließen. Mit einem Einfamilienhaus in Leonding für knapp fünf Millionen Euro ist auch der starke Sog für den Linzer Speckgürtel erkennbar. Das Leben in der Peripherie ist den Menschen offenbar jede Menge Geld wert.

Doch der Traum, im Grünen zu wohnen, betrifft nicht nur jene, die finanziell bessergestellt sind. Das hat zu einem weiteren Effekt geführt, dass mittlerweile auch andere ländliche Gebiete, die jenseits der erwähnten Hotspots liegen, massiv an Fahrt aufnehmen. Dort sind die Grundstückskosten entsprechend niedriger, womit auch viele Bauträger dieses Potenzial erkannt haben und entsprechend bauen. „Das betrifft auch kleine Orte, von denen man dies zuvor nie angenommen hätte“, so Klaudia Funk, Real Estate Agent bei Rustler. In Zeiten, wo Homeoffice-Lösungen zum Arbeitsleben dazugehören, nehmen viele Menschen auch weitere Wege in Kauf, sofern sie zwei bis drei Homeoffice-Tage in der Woche konsumieren können.

Nicht so starke Pipeline wie in Graz
Doch wie steht es derzeit um die Bautätigkeit in und um die Landeshauptstadt? Wie entwickelt sich die Pipeline? Laut Thomas Kastner ist die Bautätigkeit jedenfalls nicht ansatzweise so groß wie etwa in Graz, wo vor allem größere nationale und auch internationale Investoren engagiert sind. Dennoch gibt es einige Projekte, die neuen Schwung in den Linzer Immobilienmarkt bringen. Allen voran ist die ehemalige Tabakfabrik zu nennen, bei der eine zwischen 1929 und 1935 errichtete und denkmalgeschützte Industrieanlage zu einem neuen gemischt genutzten Stadtquartier umfunktioniert wurde. Diese wird laufend erweitert, aktuell ist ein Großprojekt für ein vierteiliges Gebäudeensemble mit dem Namen „Quadrill“ durch die Kufsteiner Bodner Gruppe am Laufen. Herzstück des neuen Quartiers, das auf einer Grundfläche von 10.900 Quadratmeter weiteren modernen Lebens-, Wohn- und Arbeitsraum sowie Hotelzimmer schafft, ist der über 100 Meter hohe Quadrill-Tower. Er soll damit Österreichs höchster Büro- und Hotelgebäude- Tower außerhalb von Wien werden. Die Fertigstellung ist für 2025 geplant. Im Vorfeld ist hierfür ein EU-weites Bieterverfahren für dieses Baufeld gestartet worden, in der die Tiroler Entwickler mit dem Entwurf der Architekten Zechner & Zechner als Sieger hervorgegangen sind. Rund 190 Millionen Euro fließen in dieses Projekt, das den aktuellen Kreativ-Hotspot der Tabakfabrik mit derzeit 250 Startups erweitern soll.

Es ist aber nicht das einzige Quartier, das demnächst in Linz entstehen wird. Erst vor wenigen Wochen hat der Immobilienentwickler VERMEHRT das ehemalige Linzer Nestlé-Areal im Franckviertel mit rund 17.000 Quadratmetern erworben, auf dem der sogenannte „Trinity Park“ entstehen wird, ein neuer lebendiger Stadtteil, in dem Wohnen, Arbeiten, soziales Leben, Kultur und Studieren miteinander vereint werden soll. Dazu entstehen moderne Bürostrukturen, Gewerbeflächen, Hotel und Serviced Apartments sowie Apartments für Studierende in unmittelbarer Nähe zum Kepler Universitätsklinikum und dem FH Campus mit insgesamt fast 60.000 Quadratmetern nutzbare Fläche. Hinzu kommt eine rund zehn Hektar große parkähnliche Grünfläche. Ebenfalls im Zuge der Entwicklung des Nestlé-Areals ist ein neuer S-Bahnhof geplant, mit dem der Linzer Hauptbahnhof entlastet werden könnte, berichtet man beim Projektauftakt. Der Trend nach Quartieren setzt sich auch im Linzer Umland fort: In Traun, einer Stadtgemeinde in Linz-Land mit fast 25.000 Einwohnern entsteht ein solches mit dem Graumann-Viertel, wo Eigentumswohnungen sowie Büro- und Geschäftsräume entstehen.

„Mit den erwähnten neuen Projekten wie am Linzer Hauptbahnhof, bei der
Johannes-Kepler-Universität oder der Tabakfabrik kommen jede Menge neuer Flächen am
Markt, die auch entsprechend nachgefragt werden.“

Klaudia Funk, Maklerin bei Rustler

Am Büroimmobilienmarkt in Linz findet derzeit ein Generationenwechsel statt. Mit den erwähnten neuen Projekten wie am Linzer Hauptbahnhof, bei der Johannes-Kepler-Universität oder der Tabakfabrik kommen jede Menge neuer Flächen auf den Markt, die auch entsprechend nachgefragt werden, sagt Klaudia Funk, Maklerin bei Rustler Oberösterreich. Das Nachsehen haben dafür jene Flächen, die nicht mehr über moderne Standards verfügen. Ein Verdrängungswettbewerb also, den wir in ähnlicher Form auch in Wien beobachten. Veraltete Büroflächen, welche von den Mietern verlassen werden, stellen eine echte Herausforderung für eine sinnvolle Folgenutzung dar.

Abseits der Hauptstadt
Wiewohl die oberösterreichische Landeshauptstadt respektive die dazugehörige Metropolregion grundsätzlich der Hotspot bei den Immobilientransaktionen und Projekten ist, bemerkt man in den Gebieten außerhalb davon jedoch auch zunehmend einen gewissen „Drive“. Während Wels und die Gegend um den Flughafen herum vor allem für Gewerbe und Logistik beliebt ist, hat sich das Salzkammergut vor allem in den Bereichen Hotellerie und Feriendomizil etabliert. Dennoch hat auch der Raum außerhalb der Region Linz, Wels, Steyr, Vöcklabruck Potenzial.

Doch dazu bedarf es einiger Stellschrauben, wie die Initiative Wirtschaftsstandort Oberösterreich (IWS) in einem Positionspapier fordert. Hierbei brauche es vor allem eine flächendeckende Breitbandverfügbarkeit, den Ausbau des 5G-Netzes und weitere Maßnahmen, um die passende Infrastruktur für den Remote-Work-Trend in ländlichen Gebieten aufstellen zu können. Der IWS rechnet dabei sogar mit einem positiven Nebeneffekt: Nämlich, dass bisherige Zweitwohnsitze auch zu Hauptwohnsitzen werden könnten.

Generell ist die Zweitwohnsitzthematik auch ein politisch diskutiertes Thema, nicht nur in den reinen Seengebieten, wo bereits deutliche Einschränkungen zu erkennen sind. Klaudia Funk meint dazu: „Politisch will man hier auch deshalb noch aktiver werden, da Zweitwohnsitze die lokale Wirtschaft nicht stärken können.“ Allerdings finden sich etwa am Wolfgangsee, Attersee oder am Mondsee ohnehin kaum noch Grundstücke, da diese Seen in der Regel dicht verbaut sind, wie Klaudia Funk weiter berichtet. Viele würden daher vermehrt auf kleinere Seen ausweichen. Das Seengebiet stellt auch den fließenden Übergang zum angrenzenden Bundesland Salzburg dar, auf welches wir in der nächsten Ausgabe unseres Magazins ausführlich eingehen werden.